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Das KHZG ist kein „Wunscherfüllungsprogramm“ für Kliniken

Profilbild von Martin Fiedler

Ein Gespräch mit Martin Fiedler, Geschäftsführer der Digitales Gesundheitswesen Gesellschaft für Beratung, Schulung und Kommunikation und der Kommunikationsagentur Munich Communication Lab.

Herr Fiedler, wie kamen Sie als Journalist in den Medizinsektor?
Nachdem ich viele Jahre als Journalist gearbeitet habe, habe ich 2013 die Kommunikationsagentur Munich Communication Lab gegründet. Dort haben wir uns neben klassischer PR mehr und mehr um interne Kommunikationsprojekte gekümmert und Veränderungsprozesse in Unternehmen begleitet, zunächst allerdings eher in anderen Branchen. Über Lehraufträge habe ich die interne Change-Kommunikation auch von der wissenschaftlichen Seite betrachten gelernt. Der Medizinsektor ist mit seinen großen Veränderungsprozessen neben der Verwaltung nun fast der letzte Sektor, der nun die Digitalisierung konsequent umsetzen muss. 2017 haben wir für eine große medizinische Einrichtung mit 200 angeschlossenen MVZ gearbeitet. Auch hier ging es um Veränderungskommunikation. Hintergrund war eine riesige IT-Umstellung mit der Zentralisierung bzw. Standardisierung der gesamten Hardware und Software. Wir haben diesen Prozess intern kommunikationsseitig intensiv begleitet, damit die Mitarbeitenden das Thema verstehen, akzeptieren und auch umsetzen konnten. Über das Projekt habe ich meinen Kollegen Dr. André Kaeding kennengelernt, mit dem ich 2019 zusammen die Digitales Gesundheitswesen Gesellschaft für Beratung, Schulung und Kommunikation mbH – kurz DG – gegründet habe.

Was ist der Schwerpunkt Ihrer Beratungsleistungen des DG?
Wir bieten eine Verbindung aus tiefem technischem Know-how, dem Verständnis von Klinikprozessen und Erfahrungen in der Kommunikation und Schulung von Mitarbeitenden. Das alles liefern wir aus einer Hand und richten uns damit besonders an Krankenhäuser und Kassenärztliche Vereinigungen. Wir beraten die Kliniken und unterstützen sie auch aktiv bei der Umsetzung der notwendigen Veränderungen im technischen, organisatorischen und kommunikativen Bereich, die insbesondere mit der Einführung der Anwendungen der Telematikinfrastruktur (TI) verbunden sind. Dazu gehört auch, die Mitarbeitenden übers Intranet, Videos oder andere Formate zu den Veränderungsprozessen „abzuholen“ und zu informieren. Je nach Fall bieten wir auch Schulungen zu den neuen Technologien an.

Beraten Sie auch Praxen?
Nein, unsere Beratungsleistungen richten sich nur an Kliniken und andere größere Einrichtungen. Aber wir haben Online-Schulungen entwickelt, die für Praxen geeignet sind. Denn die Inhalte zur TI oder der ePA sind ja von der Technologie her zunächst die gleichen. Diese Schulungen können Mitarbeitende einer Praxis abrufen, ansehen und am Ende einen Test zum erlangten Wissen absolvieren.

Das DG arbeitet ja auch mit AKQUINET zusammen, nicht wahr?
Ja, das ist eine vertrauensvolle Kooperation, weil AKQUINET in verschiedenen Bereichen der Telematikinfrastruktur aktiv ist. Unsere Ressourcen ergänzen sich gut und wir arbeiten in einigen Krankenhaus-Projekten zusammen.

Mit der DG beraten Sie Krankenhäuser auch rund um das Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG). Für wie sinnvoll erachten Sie das KHZG?
Das KHZG bietet eine wirklich gute Grundlage für Krankenhäuser, um ihre Gesamtstrategie der Digitalisierung zu planen und umzusetzen. Auch unabhängig von der konkreten Beantragung von Mitteln – diese Phase ist in vielen Bundesländern bereits abgeschlossen – ist das KHZG hilfreich für den Blick auf die wesentlichen Eckpfeiler der Digitalisierung. Ein sinnvolles ergänzendes Element ist die Reifegradmessung, über die die Kliniken ihren aktuellen Digitalisierungsstand erfassen (Anm. der Red.: Bis Ende Juni 2021 wählt das „Digital Radar“ Konsortium das entsprechende Reifegradmodell aus. S. e-health-com.de). Und auch das Ziel ist über das KHZG klar definiert: Jede Klinik muss bestimmte Muss-Kriterien bis 2025 erfüllen, andernfalls drohen Sanktionen. Hier sollten Krankenhäuser aber für sich durchrechnen: Was passiert, wenn bestimmte Kriterien nicht erreicht sind und wie teuer kann dies fürs Klinikum werden – verglichen mit den Investitionen und ggf. auch den dauerhaften Mehrkosten, die sich aus KHZG-Förderprojekten ergeben? Wir halten es für einen sinnvollen Weg, wenn Kliniken in ihrer individuellen Strategie den Weg von der Reifegradmessung bis zum Erfüllen der Kriterien festlegen. Ich glaube, dieser Rahmen hilft auch intern dabei, die richtigen Prioritäten bei der Auswahl von Digitalisierungsprojekten zu setzen.

Inwieweit hängen die TI und das KHZG zusammen?
Einige Verantwortliche in Kliniken meinen, dass das KHZG eine Art „Wunscherfüllungsprogramm“ ist. Sie vermuten, dass sie relativ beliebige Digitalprojekte mit dem KHZG finanzieren können. Das ist aber nicht der Fall. Alles baut auf der TI auf, weil sie die Basis bildet für die vielen Anwendungen wie VSDM, ePA, eMP, NFDM, KIM, eAU, eArztbrief oder das E-Rezept. Daher adressieren im KHZG von elf Fördertatbeständen fünf solche Prozesse (FTB 2-6), die direkt an die Nutzung der TI-Funktionalitäten geknüpft sind. Meiner Ansicht nach ist das KHZG auch deshalb ins Leben gerufen worden, weil sich die TI und damit verbundene Prozesse bei weitem nicht so leicht in Kliniken implementieren lassen wie in den Arztpraxen. Das KHZG schafft Anreize und zeichnet konkrete Vorgehensweisen vor, damit Kliniken auf die TI aufbauend ihre Prozesse neu ausrichten können.

Wie kommt es, dass die TI eher auf die Bedürfnisse von Praxen ausgelegt ist?
Wir sehen in der Tat bei nahezu allen Umsetzungsanforderungen, die für die Telematikinfrastruktur definiert werden, dass sie vom Bild „ein Tresen, drei Behandlungszimmer, zehn Beschäftigte und die dazu passende Anzahl an Kartenterminals“ ausgehen. Vielleicht ist das so, weil es fast 200.000 ambulante Einrichtungen und etwa 19.000 Apotheken, aber nur etwa 1.900 Krankenhäuser gibt, die auch innerhalb ihrer Einrichtungen nochmal eine Vielzahl von unterschiedlichen Abläufen entwickelt haben. Vor diesem Hintergrund hat der Gesetzgeber den Krankenhäusern mehr Zeit in Bezug auf die Sanktionsfristen und nun mit dem KHZG auch nochmal eine finanzielle Unterstützung gewährt, um die riesigen Herausforderungen zu bewältigen, die mit der Einführung der TI in den Kliniken verbunden sind. Da muss tatsächlich jedes Krankenhaus seinen Weg im Rahmen der technischen und organisatorischen Vorgaben finden – und sie dabei zu unterstützen, ist gegenwärtig ein wesentlicher Teil unserer Tätigkeit.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Fiedler!

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