TI/KIM-Partnerschaft: „Wir gehen lieber voran, als abzuwarten“
Seit mehr als 20 Jahren versorgt die Concat AG Krankenhäuser mit Leistungen rund um die IT-Infrastruktur. Das Unternehmen ist ein Pionier der Telematikinfrastruktur für das Medizinwesen. Wir sprechen mit Björn Brockt, Vertriebsleiter Healthcare bei Concat, über die besonderen Herausforderungen im Gesundheitsmarkt.
Concat ist erstaunlich lange im Medizinsektor aktiv und hat hier auch das Thema der Telematikinfrastruktur (TI) von Beginn an entwickelt. Wie beurteilen Sie in der Rückschau die Entwicklungen? Wo liegen heute die Herausforderungen?
Die Herausforderungen lagen und liegen auch heute in der Komplexität. Die TI 1.0 hat sehr lange gebraucht, um an den Start zu gehen. Auch heute kommen dazu noch neue Fragen auf. Die cloudbasierte und konnektorfreie TI 2.0 sollte ursprünglich in drei Jahren am Start sein. Das Zieldatum hat die gematik nun verschoben auf 2028/2029. Das zeigt, wie komplex diese Entwicklung ist. Die Komplexität rührt auch von den vielen unterschiedlichen Teilnehmern her: die Ärzteschaft und Kliniken, kassenärztliche und kassenzahnärztliche Vereinigungen sowie die Industrieteilnehmer. Alleine das Entwickeln und Etablieren eines Kartenmanagement-Prozesses wie der für den Heilberufsausweis (HBA) war eine riesige Herausforderung, bei der viele Akteure ihre unterschiedlichen Interessen überein bringen mussten.
Wie könnten aus Ihrer Sicht Ärzte, Kliniken und Apotheken noch besser unterstützt werden bei der Anbindung an TI und KIM?
Wir haben die Erfahrung gemacht, dass wir viele Kunden aus dem Praxisumfeld am besten „an die Hand nehmen“ beim Start von TI und KIM. Das geht los beim Antragsprozess im Selfservice-Portal, den wir so einfach wie möglich gestaltet haben. Aber vieles bei der Anmeldung für TI und KIM ist ja vom Gesetzgeber vorgegeben und für Menschen, die nicht IT-affin sind, eben nicht einfach. Es kommen Fragen wie „Was ist eine Domäne?“ oder „Kann ich vor das @-Zeichen der KIM-Adresse schreiben, was ich möchte?“. Diese Berufsgruppe hat eben Wichtigeres zu tun, als sich um IT und TI zu kümmern. Die Formalien werden verständlicherweise als nötiges Übel gesehen. Im Klinikumfeld werden solche Themen anders angegangen, weil hier IT-Zuständige im Hause sind. Das Problem ist, dass die Ärzteschaft die Mehrwerte von TI/KIM erst dann erleben kann, wenn sie Anwendungen wie die ePA wirklich nutzt.
Concat ist ja auch in vielen anderen Branchen aktiv. Wie beurteilen Sie als IT-Dienstleister den Gesundheitsmarkt im Vergleich zu den anderen Branchen?
Die niedergelassenen Ärzte haben hier eine Sonderstellung. Sie müssen die IT oft selbst machen, wenn sie nicht einen guten IT-Dienstleister finden, der ihnen die Arbeit abnimmt. Es kommt nur bei Ärzten vor, dass sie zum Beispiel aus dem Urlaub heraus versuchen, ihre TI und KIM einzurichten. Im Klinikumfeld gibt es IT-Verantwortliche und eigene Rechenzentren. Dort sind die Aufgaben anders verteilt und es ist viel Know-how vorhanden. Außerdem gibt es in diesem ja sehr regulierten Markt besonders viele Player, die sogar Basisprozesse mitsteuern, wie das Beispiel Rechnungen zeigt: Diese kann man nicht einfach direkt an den Patienten stellen, sondern sie laufen über die Krankenkassen. Für Ärzte bedeutet dies schon ohne die TI und KIM: Es gibt viel Fremdbestimmung und damit verbunden viel Verwaltungsaufwand.
Seit 2018 besteht eine Partnerschaft zwischen Concat und AKQUINET. Wie würden Sie diese Partnerschaft beschreiben?
Wir haben uns sehr früh beim Thema „Telematikinfrastruktur as a Service“ zusammengetan und sind schon Anfang 2019 mit dem KfH als Leuchtturmkunden in die Kommunikation gegangen. Wir sind uns fachlich sehr einig und arbeiten seitdem wirklich zukunftsweisend zusammen. Denn wir ticken gleich: Wir wollen die Telematikinfrastruktur und KIM. Wir gehen lieber voran, als erst einmal abzuwarten. Auch mit einer aktuellen gemeinsamen KIM-Installation in einem größeren Klinikum zeigen wir wieder: KIM läuft! Für die Klinik haben wir gemeinsam nach einem Workshop beim Kunden den gesamten Installationsprozess übernommen. Das Herausfordernde im Krankenhaus ist ja immer die individuelle Netzwerkumgebung. Auch die vielen Prozessfragen müssen geklärt werden. Nach wenigen Tagen waren alle KIM-Adressen des Klinikums eingerichtet.
Wie sehen Sie die weiteren Entwicklungen für TI und KIM?
Was man immer vergisst: Wir haben noch nicht einmal die Hälfte aller Teilnehmer der Telematikinfrastruktur mit der Technologie ausgestattet. Zu den insgesamt 900.000 Leistungserbringern zählen nämlich auch Reha- und Pflegeeinrichtungen, Hebammen, Physiotherapeuten, Sanitätshäuser oder Heilmittelerbringer. Wir sollten uns als Dienstleister alle zusammen mehr darum bemühen, dass wir die Einführung für die Leistungserbringer so einfach und übersichtlich wie nur möglich gestalten. Und wir müssen die Vorteile besser vermitteln. Nur so kommen wir voran.
Vielen Dank für das Gespräch, Herr Brockt!