Einführung des TI-Messengers: Wie entsteht Akzeptanz?
Ein Interview mit Gilbert Mohr, Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein (KVNO)
Die Vorbereitungen für die Einführung des TI-Messengers als zusätzliches digitales Kommunikationstool im Gesundheitswesen laufen. Wie werden Krankenhäuser und Praxen den Messenger annehmen? Wir sprechen mit Gilbert Mohr, Leiter der Stabsstelle E-Health der KVNO.
Was kann der TI-Messenger leisten und wie entsteht eine hohe Akzeptanz?
Der TI-Messenger hat gute Chancen, sich zu etablieren, aber es wird nicht einfach. Derzeit sind in Praxen de facto Verfahren im Gebrauch, die aus datenschutzrechtlicher Sicht nicht geeignet sind, wie z. B. das Fax oder WhatsApp. Der TI-Messenger muss also etablierte Strukturen ablösen und durch Mehrwert überzeugen. Das geht meines Erachtens nur nach dem KIM-Muster: Die für die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zuständigen Vertragspartner, der GKV-Spitzenverband, die KBV, die KZBV und die DKG haben sich bei der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) mangels eines alternativen schnell verfügbaren und spezialisierten Transportweges für den E-Mail-Dienst KIM in der TI entschieden. Deswegen kommt KIM nun überall an. Ohne die eAU lägen die KIM-Installationen um den Faktor 10 niedriger. Durch den eAU-Booster springen auch die Zahlen beim eArztbrief nach oben. Das heißt wir haben einen Trittbrett-Effekt, weil die eAU via KIM nun KIM auch für den Transport von anderen Inhalten attraktiv macht. Wenn das Gesetz TIM für bestimmte Dinge vorschreiben würde, könnte das die TIM-Nutzung in gleicher Weise befördern.
Aber anders als KIM soll TIM nur eine Erleichterung in der Kommunikation bieten, also nur optional sein.
Das stimmt. Als KIM 2017 definiert wurde, hat kein Mensch an die eAU gedacht. Man hat eher daran gedacht, den eArztbrief damit abzulösen. Dennoch ist die KIM-Nutzung später über die eAU verpflichtend geworden. Interessant ist bei KIM und TIM noch eine weitere Frage: Wie sollen die Tools abgegrenzt werden? Denn künftig lassen sich ja manche Prozesse, die bis dahin mit KIM laufen, mit TIM substituieren. Es sollte also bald geklärt sein: Wofür ist KIM besser und wann ist TIM geeigneter?
Ist die Abgrenzung denn nötig, wenn KIM und TIM beide im sicheren Umfeld der TI laufen?
Wenn ich etwas versende, muss der Empfänger die Nachricht und vor allem definierte Anhänge ja auch sicher empfangen und im dahinterstehenden PVS verarbeiten können. Dafür ist KIM per se besser geeignet. Beim eArztbrief gibt es beispielsweise keinen Sinn, mit TIM zu arbeiten. Denn an den eArztbrief ist ein Mechanismus gekoppelt, über den ein empfangendes PVS auf das formalisierte Dokument wartet. Der eArztbrief oder auch die KIM-Prozesse zur eAU: Niemand würde dies mit TIM an die Krankenkasse schicken. In Zukunft könnten auch KV-Abrechnungen, DALE-UV und DMP mit KIM verschickt werden, sprich N-zu-1-Verbindungen und weitere formalisierte Verbindungen mit fest definierten Inhalten. Anders sieht es aus bei der spontanen E-Mail, die man ja auch über KIM schreiben kann. Dies wird mit TIM in den meisten Fällen besser laufen, weil sie dem Empfänger über einen Messenger direkter ins Auge fällt als eine E-Mail. Aber das funktioniert nur unter der Voraussetzung, dass am Anfang auch genug potentielle Kommunikationspartner über TIM verfügen.
Das Personal in Arztpraxen und Krankenhäusern ist, auch durch die private Nutzung von Messengern, mit dem Messaging grundsätzlich vertraut. Könnte sich TIM als eine Art Graswurzelbewegung – wie von Martin Fiedler angedacht – verbreiten, wenn z. B. eine Klinik das gesamte Personal freischaltet?
Wenn beispielsweise eine Uniklinik mit Satelliten-Krankenhäusern für das komplette Personal TIM einführen würde, hätte das sicher eine „Welle“ bei umliegenden Haus- und Fachärzten zur Folge, dem sich die Niedergelassenen nur schwer entziehen könnten. Die Skepsis der Praxen schwindet, wenn die TIM-Nachfrage massiv von außen auf die Praxen zukommt, etwa durch ein großes Krankenhaus in ihrer Nähe, an dem sie nicht vorbeikommen. Die Akzeptanz wird natürlich auch vom Preis beeinflusst. Also, konkret: wie teuer ist TIM und wer bezahlt es? Im niedergelassenen Bereich werden nach unserer Erfahrung die meisten Praxen zusätzlichen Kosten für einen neuen professionellen Kommunikationskanal zuerst einmal skeptisch gegenüberstehen.
Vielen Dank für das Gespräch, Herr Mohr.