Pflege digital vernetzen: Fahrplan für die Telematikinfrastruktur
Dan Lingenberg
Beratung Pflege, Reha und Sport
Die Pflege steuert auf die Datenautobahn des Gesundheitswesens. Schon bald soll der Anschluss an die Telematikinfrastruktur (TI) stehen: für die ambulanten Dienste ab 1.1.2024, für die stationären Einrichtungen ab 1.1.2025. Wie die TI-Einführung in der Pflege funktioniert, erklärt Dan Lingenberg, Berater für TI-Lösungen bei AKQUINET.
Mit der TI-Anbindung erhalten Pflegeeinrichtungen neue Möglichkeiten der Kommunikation. Was bringt ihnen die digitale Vernetzung?
Der Anschluss an die Telematikinfrastruktur ähnelt im übertragenen Sinn dem Zugang zu einer Autobahn: der Datenautobahn des Gesundheitswesens. Ärzte, Krankenhäuser, Apotheken, Krankenkassen und weiter sind bereits an die TI angeschlossen. Auf der TI-Autobahn „fahren“ quasi verschiedene TI-Fachdienste. Der erste Dienst, den die Pflege bereits nutzen kann, ist die Kommunikation im Medizinwesen, kurz: KIM. Die Anwendung gleicht einem E-Mailprogramm. Pflegeeinrichtungen können mit Arztpraxen, Kliniken und Apotheken direkt Nachrichten und Dokumente austauschen.
Wie sieht der Fahrplan für die Telematikinfrastruktur in der Pflege aus? Welche Lösungen bietet AKQUINET Pflegeeinrichtungen bei der TI-Anbindung?
Im ersten Schritt beantragt die Pflegeeinrichtung die elektronischen Heilberufsausweise (eHBA) für die Personen, die zur TI-Kommunikation berechtigt sein sollen. Achtung: Bei der eHBA-Bestellung sollten sie mindesten 8 Wochen Vorlauf einplanen. Anschließend bestellt die Pflegeeinrichtung bei der D-Trust die SMCB, den elektronischen Praxis- oder Institutionsausweis für die TI. Dafür benötigt sie die IK-Nummer, das Institutionskennzeichen für die Abrechnung mit den gesetzlichen Krankenkassen. Auch hier sind mehrere Wochen Vorlauf zu berücksichtigen. Sobald die Karten und die separat versandten PINs vorliegen, gibt die Pflegeeinrichtung bei AKQUINET Bescheid. Wir bieten ein TI-as-a-Service-Modell und kümmern uns um die Technik des Anschlusses. Der Konnektor steht in unserem Rechenzentrum und nicht in den Räumen der Einrichtungen. Den TI-Zugang richten wir gemeinsam mit der Pflegeeinrichtung in einer Online-Besprechung ein.
Die meisten Pflegesoftwares verfügen schon über eine E-Mail-Funktion. Können Anwender*innen darüber KIM-Nachrichten versenden, wenn die TI-Anbindung steht?
Dies hängt von der jeweiligen Pflegesoftware ab. Die meisten Anbieter haben die KIM-Funktion noch nicht umgesetzt. Informationen zu den TI-Potentialen von Branchensoftware finden Pflegeeinrichtungen auf dem Gematik-Portal TI-Score. Es besteht auch die Option, unabhängig von der Pflegesoftware KIM-Nachrichten zu versenden. Bei AKQUINET können wir für Kunden mit dem TI-Anschluss einen eigenen KIM-Client einrichten, der sofort nutzbar ist.
Die Anbindung an die TI in der Pflege ist mit Aufwand verbunden und macht Anschaffungen notwendig. Welche Möglichkeiten der Refinanzierung bestehen hier?
Genaue Angaben zur TI-Förderung lassen sich zurzeit nur schwer treffen, denn die Finanzierungshöhen werden zurzeit neu geregelt. Pflegeeinrichtungen können aber mindestens mit einer Refinanzierung des Anschaffungswertes und der Betriebskosten rechnen. Stichtag für die Bekanntgabe der Förderhöhe von TI-Ausgaben ist der 1. Juli.
Die TI muss noch den Weg in viele Pflegeeinrichtungen finden. Wie wird sich die Umstellung entwickeln?
Die Termine für die TI-Einführung in der Pflege von 2024 für die ambulante und 2025 für stationäre Einrichtungen rücken näher. Ab September wird die Nachfrage nach TI-Lösungen steigen. Da sehe ich eine ähnliche Entwicklung wie bei den Arztpraxen, für die die TI bereits Pflicht ist. Auch in diesem Bereich haben viele Verantwortliche erst abgewartet und die TI spät eingerichtet. Grundsätzlich empfiehlt es sich aber für die TI-Einrichtung einen „Puffer“ einzuplanen.
Welche Perspektiven bietet die TI der Pflege?
Die Datenautobahn TI wird mit zahlreichen Fachdiensten verschiedene Nutzungsmöglichkeiten bereitstellen. Ein gutes Beispiel ist sicher der elektronische Medikationsplan (eMP). Damit können alle am Medikationsprozess Beteiligten mit eHBA die aktuellen Daten zur Medikation einer Patientin oder eines Patienten jederzeit einsehen. Großen Nutzen für die Pflege verspricht der TI-Messenger. Die Anwendung ermöglicht die sichere Echtzeit-Kommunikation im gesamten Gesundheitswesen. Mit TIM der ersten Entwicklungsstufe können Pflegeeinrichtungen beispielsweise mit Arztpraxen oder Physiotherapeut*innen einfach und sicher per Chat kommunizieren. Im nächsten Entwicklungsschritt sollen auch Patient*innen und Krankenkassen teilnehmen können. Später ist dann der Videochat geplant. Ich vermute, dass TIM für die Pflege das bessere KIM wird. Denn 70 Prozent der Pflegenden arbeiten in Teilzeit. Das einfache, mobile Messaging entlastet sie. Abläufe und Übergabeprozesse werden einfacher.
Vielen Dank für das Gespräch, Dan!